Texte & Inhalt - Steffen Kersken

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Hilfe et Weihnachtet!
Kapitel 1

Wenn es bei uns zu Hause anfängt zu Weihnachten, dann sag ich mir immer laut vor: „Man muss nicht immer mit den Wölfen heulen!“, wenn sie verstehen was ich meine. Ich versuche mich zumindest dem ganzen Weihnachts- und Vorbereitungsstress zu entziehen. Es gibt ja viele Familien, die den geregelten Ablauf eines weihnachtlichen Brauchtums folgen. Ich habe selber Weihnachten oft mit Vater und Großvater verbracht, also ein klassisches Männerweihnachten:
Ein Kasten Bier, zwei bis drei Flaschen Wein, ein Aperitif und Würstchen mit Kartoffelsalat. Gesänge waren verpönt, dafür lief im Hintergrund „Best of Classic Rock“, die Gespräche wurden auf das nötigste reduziert und es gab eine kurze aber glückliche Bescherung.
Auf diese Weise zu Feiern änderte sich schlagartig, als ich in eine Großfamilie eingeheiratet habe, bzw. nun selber zwei Kinder habe. Da findet man plötzlich zum Christentum zurück oder es findet dich! Dat is Ansichtssache. Wenn mir z. B. die Aufgabe zukommt den Weihnachtsbaum zu schmücken, dann ziehe ich mich gegen Nachmittag des 24. Dezembers ins Wohnzimmer in meinen IKEA Schaukelstuhl zurück. Ich öffne eine Flasche feinsten Rioja, genieße die Ruhe vor dem Sturm und stelle strategische Überlegungen an, wie die Operation Weihnachtsbaum ablaufen könnte. Das A und O eines gelungenen Weihnachtsbaumes ist nämlich: Ruhe bewahren! Nichts überhastet vom Zaun brechen! Den Vogel, der morgens als erster singt, holen Abends die Katzen! Schließlich möchte ich dem Baum meinen eigenen Stempel aufdrücken! Ich blicke also gelassen aus dem Terrassenfenster, direkt auf den Oestrumer Kirchturm, gönne mir ein oder zwei Schlücke Rotwein auf nüchternen Magen, versuche zunächst Baum und Kiste mit Weihnachtsschmuck zu ignorieren. Ich kann mich nämlich am Besten konzentrieren, wenn ich die zu erledigende Arbeit ignoriere. Nach weiteren Schlücken Rotwein, ent-wickeln sich konkrete Ideen und ich beginne den Baum im Garten mit einer stumpfen Bügelsäge zu stutzen, über die ich mich jedes Jahr zu tiefst ärgere, nur um ihn später unter schwerster Anstrengung in den neu modernen Baumständer zu zwängen. Zurück im Schaukelstuhl höre ich, wie meine Frau, trillernd in der Küche stehen, das Essen zubereitet. „Das Trillern ist ein gutes Zeichen!“, denke ich noch. „Du hast Zeit!“ Meine Strategie wird auch dieses Jahr wieder lauten:
Die Eleganz überzeugt durch Schlichtheit!
Man muss es nur gut verkaufen können! Plötzlich kommt es aus meiner Frau, wie aus einer Pistole heraus geschossen: „Oh Gott, es ist ja schon wieder halb vier!“  Dieser Satz, liebe Querdenker, ist der Beginn  jeglicher Form von Stress und für mich der gefühlte Untergang des Abendlandes! Mit dem Satz wird mir jegliche Basis an Entspannung entzogen. Aber sowat von!
Ich nehme noch schnell einen Schluck Rioja, versuche Ruhig zu bleiben und die Planung der Schmückung ruhig voranzutreiben: Eine Handvoll Lamet-ta, drei oder vier bunte Glaskugeln, ein Holzengel in der oberen Etage und eine Reihe Wachskerzen, dat sollte reichen!
Et is schließlich eine Nordmann-Tanne und nicht Harald Glöckler, der in meinem Wohnzimmer steht! Liebe Querdenker, nicht das Sie meinen, wir hätten keinen Weihnachtsschmuck! Doch, das haben wir! Ich hab tonnenweise Weihnachtsschmuck gekauft, nämlich in Duisburg auf dem Weihnachtsmarkt: „Da ist ein ganz toller Stand mit Weihnachtsschmuck, aber wirklich, gaaaaanz toll! Da müsst ihr unbedingt hin!“, hat mal eine Mutter in der Krabbelgruppe  zu meiner Frau gesagt. In der Kiste stehen jetzt Engelchen aus Holz, kleine süße Teddybären, glänzende Trompeten, Fanfaren und Goldsternchen mit Schneestaub. Gaaanz toll, einfach gaaanz tool, wie der teure Schmuck  so das Jahr über in der Kiste zur Geltung kommt! Aber warum soll ich mir jetzt den Stress machen, mich zwischen Farben und Glitzer zu entscheiden, wenn es auch einfacher geht? Ist zwar schade, wenn man mal intellektuelle Gäste haben sollte und sie halt eben nicht die gewohnte Ouvertüre aus Edelhölzer und Marken Krimskrams vorfinden. Hat man ja schon mal, nicht wahr: Intellektuelle Gäste. Nee, das hat man schon mal! Neulich ist mir sogar passiert, dass ich sozusagen der intellektuelle Gast war und am Tisch wurde zu mir gesagt: „Ich mag Gäste, die den Unterschied zwischen  seid und seit kennen!“ „A wat!“, sach ich und musste erst mal darüber nachdenken, wat der jetzt genau damit meint! Aber während ich gedanklich so am Baum arbeite, ruft meine Frau aus der  Küche heraus: „Wat is mit dem Baum? Wann bist du denn endlich fertig, die Bescherung ist um fünf Uhr!“ Ich sach: „Ja warum nicht schon um halb drei und am 23igsten!“
„Fünf Uhr! Wir haben die Bescherung  schon immer um fünf Uhr gemacht! Dat is seit eh und je so!“ Ich sach: „Also mit Oppa haben wir die Bescherung früher immer um acht Uhr gemacht und 1998 nach dem ersten Raclette hatte Oppa die Bescherung sogar erst am nächsten Morgen!“
Sacht meine Frau: „Und wann sollen wir dann essen?“
„Ja selbstverständlich nach der Bescherung!“, sach ich.
„Ach, um halb zehn oder wat? Bis dahin sind unsere Kinder alle verhungert!“ Ich sach: „Also ich kenne das nicht anders, wir haben immer so spät nach der Bescherung gegessen! Wer hat eigentlich die gefüllten Schokoladen-Kugeln neben dem Spiegel gegessen?“
„Du brauchst jetzt nicht abzulenken! Wenn du in zehn Minuten mit dem Baum nicht fertig wirst, dann schmeiß ich hier alles hin und dann kriegt dein Föttchen aber mal richtig Kirmes! Dann kannst du mal sehen, wie ihr ohne mich Weihnachten feiert!“
„Hömma! Ich kann den Weihnachtsbaum  doch jetzt nicht einfach so vom Zaun brechen! Wie soll dat bitte schön gehen? So eine Baumschmückung braucht Zeit! Vielleicht können die Schwiegereltern schon mal  anfangen „Heilige Nacht“ zu singen. Das entspannt mich vielleicht!“ Aber natürlich möchte ich an Weihnachten keinen Streit übers Knie brechen und lenke ein: „Schließlich sägt  man  sich doch nicht den emotionalen Ast ab, auf dem man sitzt.“, so sach ich ja immer! Aber der lange Arm des Ge-setzes greift natürlich auch aus der Küche zu mir in den Schaukelstuhl und ich werfe, wie der Deubel der hinter der armen Seele her ist, Lametta, Engelsgesichter, Kugeln und  Sternchen wahllos an den Baum, stecke hastig drei Wachskerzen an, bringe die vier trompetenden Engel in Reihe und Glied: Sigmar, Gabriel, Helga und Gudrun, dann rufe ich: „Fertig!“
Meine Frau kommt rein gestürmt und betrachtet den Baum mit Argusaugen, schüttelt den Kopf und sacht:
„Also irgendwat stimmt mit dem Baum nicht, er sieht irgendwie so aus, wie die letzten drei Jahre!“ Ich sach: „Dat liegt in den Augen des Betrachters, aber unter diesen Bedingungen lässt sich bekanntlich schlecht arbeiten, so ein Baum braucht Zeit und Reife. Ich kann doch eine Nordmanntanne nicht einfach so vom Zaun brechen!“
„Jetzt geh du erst mal raus.“, sacht meine Frau. „Ich fang jetzt mal an die Geschenke zu verpacken.“
„Geschenke? Ich dachte, wir schenken uns nichts!“ Und das, liebe Querdenker, ist auch so ein signi-fikanter Satz, der in Familien jedes Jahr fällt: „Ich dachte, wir schenken uns nichts!“ Jedes Jahr vereinbaren wir, dass wir uns nichts schenken, denn es ist immer so schwer ein passendes Geschenk für jemanden zu finden und der ganze Stress erst, wenn man es besorgen muss. Die ganzen Menschenmassen in den Geschäften, überall blinkende Lichter, Werbesprüche und dieser Zeitdruck beim Einkaufen! Also wir schenken uns dann nichts! Und dann kommt die Bescherung und alle haben sich trotzdem etwas besorgt. „Ich dachte, wir schenken uns nichts!“, sage ich dann immer. „Ist doch nur ne Kleinigkeit!“, heißt es dann. „Eine Kleinigkeit, ach so!“ „Da habe ich wohl irgendwas an: Wir schenken uns nichts, falsch verstanden!“
Ich flüchte jedenfalls aus dem Wohnzimmer Richtung Küche, da sitzt der Schwiegervater und bindet kleine  Peddig-Sterne mit roten Nähfäden zusammen, vielleicht kennen Sie ja  diese Weihnachtssternchen aus thera-peutischen Korbmaterial?
Er sieht mich und ruft: „Augen zu! Dat is ne Überraschung!“ Ich lauf also weiter Richtung Küche, wo die Schwiegermutter mit dem Braten kämpft.
„Gut!“, sach ich, „dann geh ich auf das Gästeklo, dann bin ich unpässlich!“ „Nur wenn Rom wieder in Flammen stehen sollte und Alexander über die Alpen kommt!“, ruft die Schwiegermutter! „Im Klo liegen meine Geschenke für euch, die müssen noch verpackt werden, da kann jetzt keiner drauf!“ „Ich dachte wir schenken uns nichts!“, flüstere ich noch.
Wo steht der Rotkohl? Hast du noch Geschenkband? Wo ist das Kind? Achtung der Braten brennt an! Gibt es noch Kleber? Das Kind ist wieder da! Wo steht der Rotwein! Ist der Quark schon eingerührt? Nicht gucken! Nimm mal das Kind! Du kannst jetzt mal die Milch aus dem Keller! Die Brötchen noch! Da muss noch! Gehst du mal eben! Reich mir mal! Hast du noch?
Das bitte da vorne! Öl steht oben! Danke, brauche ich nicht! Auf der Tischdecke klebt Wachs! Das Kind weint! Das Kind ist wieder weg! Fröhliche Auferstehung!
Und dann kommt die Bescherung:
„Willst du nicht anfangen die Geschenke auszupacken?“ „Nein, ich habe ja letztes Jahr angefangen!“ „Dann mach du doch!“, „Nein,Du!“, „Dann das Kind zuerst!“, „Das isst noch Schokolade!“, „Gut,“ sach ich,  der dieses Jahr keine Geschenke besorgt hat, weil wir uns ja nichts schenken wollten: „Dann fang ich mal an!“ Und dann werden die Sachen wieder ausgepackt, die vorher eingepackt wurden. Aber natürlich packen wir nicht nur Geschenke ein und aus, nein, dann spiele ich „Heilige Nacht“ auf dem Keyboard und es wird gesungen. Drei Akkorde und mein dreistimmiger Gesang: Falsch, laut und mit Begeisterung. Wenn unsere Bäuche dann voll sind, ich meinen Rioja wieder habe, dann kehrt Ruhe ein, der Stress geht und der Sinn des Weihnachtfestes kommt heraus: Frieden, Miteinander, Besinnlichkeit und Menschlichkeit! Die Leute sagen aber auch dieses Jahr wieder: „Dieser Baum! Dieser Baum ist wirklich außergewöhnlich! Einfach einmalig! Einmalig!“









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